(1.Post – 12..November)
Chaira läuft einen verlassenen Gang im zweiten Stock entlang. Es hatte sich nichts geändert. Der eine Tag, das Gespräch mit Jane, das war alles doch nur eine weitere Lüge gewesen. Sie hatte es schon den Abend darauf bereut. Sie hatte im Bett gelegen und nachgedacht. Mal wieder. Immer Denken. Warum konnte man das nicht abstellen? Gedanken verfolgen einen überall hin. Zeigen einem die Wahrheiten auf, die man nicht sehen will. Wie oft war sie schon nicht eingeschlafen, weil sie zu lange an den bösen Erinnerungen ihrer Vergangenheit festgehalten hatte? Und wie oft war sie die Nacht darauf schreiend aus den Träumen erwacht? Glücklicher Weise war das in Hogwarts noch nicht geschehen, was keinesfalls heißt, dass sie nicht aufgewacht war, die Angst so gegenwärtig, fast greifbar war, dass sie nicht anders konnte, als erst einmal beruhigend einige Schritte zu gehen. Nein, das hieß es nicht. Auch in Hogwarts, hatte sich schon einige Male in der Nacht die Furcht ihrer Selbst, die Furcht, die sie so gerne unterdrückte, mehr als nur gemerkt. Sie hatte sie am eigenen Leib krass erfahren. Wie immer. Abartig., denkt sie plötzlich, während sie abwesend aus dem Fenster blickt. Ein klarer, guter Tag. Du versinkst schon wieder in dem ewigen Selbstmitleid. Wie kann man nur so erbärmlich sein? Sie sollte gerade im Unterricht sein, doch ihre Motivation liegt mal wieder stark bei Null. Hogwarts tut ihr augenscheinlich tatsächlich nicht gut. Sie hatte auch in Durmstrang nicht oft Momente gehabt, wo sie wirklich fröhlich durch die Gegend geturnt ist, doch in Hogwarts sind die gefühlten „schlechten Tage“ eindeutig überwiegend. Außerdem hatte sie in ihrer alten Schule meist die schlechte Laune (die sie auch zu großen Teilen an Mitschülern ausgelassen hat, was in Hogwarts schwerer ist, da kaum jemand öfter allein unterwegs zu sein scheint) durch übermäßiges Lernen komprimiert, doch nun scheint ihr das von Mal zu Mal unsinniger. Die Theorie wird doch nur durch die Praxis sinnig. Also wozu neue Flüche lernen, wenn nichts und niemand da ist, um diese abzufangen? „Sei mal glücklicher!“, weist sich die junge Hexe zurecht. Um ehrlich zu sein, weiß sie auch gar nicht genau, warum sie mal wieder an einem solchen Tiefpunkt angelangt ist. Ihr Blick schweift wieder einmal aus dem Fenster. Sie ist so melancholisch, sehnsüchtig. Es ist ein ihr unerklärte Unzufriedenheit. Sie grinst. Was für ein Mist. Natürlich war sie nicht zufrieden an einem Ort, an den sie nie kommen wollte. Abwesend strich sie mit ihrer kühlen Hand den Stein einer Fensterbank sauber und ließ sich nieder. Am unteren Fensterrand kam etwas Wind durch, doch Chaira stört sich nicht daran, sondern holt aus ihrer Tasche einen Block und eine Feder und beginnt damit, einen Text zu schreiben. Sie hatte sich in letzter Zeit viel zu sehr der Kunst des Zeichnens und Malens gewidmet, es war mal wieder an der Zeit, poetisch-philosophisch etwas zu Papier zu bringen…
_________________ "Die Welt ist voller großer Arschlöcher, aber das Größte ist die eigene Angst."
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