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Erster Post, 22. Mai
Der Zigarettenstummel verschwindet mit einem Fingerschnipsen in der Toilettenschüssel und wird in den Abfluss gespült. Die Kabinentür wird kurz darauf aufgestoßen und begleitet von dem beißendem Nikotinqualm, der ihm anhängt, steuert Shane Bennett den Ausgang an. Unterdessen schiebt er sich noch einen Kaugummi in den Mund. Er weiß, das war so nicht abgesprochen. Aber dass er hin und wieder am Glimmstängel hängt, liegt doch nur daran, dass ihm etwas fehlt, wenn er bei den ansteigenden Temperaturen draußen im Gras liegt und nichts in der Hand hat. Er hat es schon mit Grashalmen probiert, aber die bringen es einfach nicht. Gut, gerade lag er wirklich nicht faul draußen herum und es ist auch noch früh am Morgen. Aber bei Merlin nochmal, es hat ihn in den Fingern gejuckt. Er hat nicht mehr an sich halten können.
Ray würde ihm jetzt, wenn er hier wäre, wieder etwas zuraunen von wegen Symptome einer stark ausgeprägten Nikotinsucht. Er kann es sich sogar bildlich vorstellen wie er seinen jüngeren Bruder verschmitzt angrinst und tadelnd mit dem Finger vor seiner Nase herumwedelt. Der Ravenclaw zuckt bei der Vorstellung sogar kurz zusammen und schüttelt dann schmunzelnd den blonden Schopf, als er durch die Korridore stapft.
So allmählich sollte er nämlich wirklich mal zum Verteidigungsunterricht aufbrechen. Im Vorfeld gab's deswegen ja schon ziemlichen Aufruhr. Da gab es Stimmen, die verbreiteten das Gerücht, dass die Befehlshaberin der fiesen Schlangen den Dunklen Künsten anheimgefallen sei. Die Opfertheorie fand er wirklich sehr nett. Obwohl der Ravenclaw eher mit dem Gedanken liebäugelt, dass die schwarzmagische Hexe sich der dunklen Seite willentlich zugekehrt hat.
Shane, der sich nichts aus dem vorurteilbelasteten Schubladendenken macht, ist es aber auch egal, was da getuschelt wird und was nun stimmt und nicht stimmt. Aber es gibt auch genügend Persönchen, die das anders sehen. Ist auch kein Geheimnis, dass die Slytherins bei den anderen Häusern nicht wirklich beliebt sind. Und erst recht nicht ihre Oberkommandöse, Professor Sokaris.
Seine Beobachtungsgabe hat aber eben auch Schattenseiten. Sprich, mit gespitzten Ohren und offenen Augen durch die Gänge spazieren, heißt, viel mitbekommen. Auch von Dingen, von denen er nichts wissen will, weil sie ihm zu privat sind. Aber das interessiert die Jugend auch nicht. Die plappern, ohne auf ihre Umgebung zu achten. Mal ganz zu schweigen von dem Tonfall. Da könnte man beinahe annehmen, so wie da einige durch die Korridore schreien, dass sie vor der Schülerschar unbedingt ihr Privatleben ausbreiten wollten. Ihn beschleicht sogar schon seit geraumer Zeit das Gefühl, dass dieses Phänomen von Schuljahr zu Schuljahr zunimmt. Vielleicht ist das aber auch nur eine Eigenart von der jüngeren Generation, von der ältere Schüler nichts verstehen. Ja, so muss es wohl sein, schließt Shane und vergräbt die Hände in den Hosentaschen, während er gemütlichen Schrittes die Treppe in das dritte Stockwerk hinaufwandert.
So früh am Morgen. Und ihm fehlt die Lust. Aber er ist doch mal gespannt, wer nach dem Unterrichtsausfall der letzten Wochen Verteidigung übernommen hat. Er ist da ja auch nicht so wie seine Klassenkameraden, die teilweise regelrecht Panik schieben, dass ja nur noch so wenig Zeit zu den Prüfungen sei und dass da endlich etwas geschehen soll. Tada, es ist etwas geschehen. Zu hoffen wäre nun, dass die Quälgeister damit endlich Ruhe geben und ihm wieder seine Ruhe lassen. Damit ist er nämlich schon immer besser gefahren. Nur ruhig bleiben, alles andere ergibt sich von selbst. Und zur Not tut es auch eine Zigarette vor den Prüfungen. Die erfüllt auch immer ihren Zweck. Ja ja, damit verstößt er dann wieder gegen sämtliche Verabredungen. Aber kann er doch nichts dafür, dass er süchtig ist. Alles das Nikotin schuld. Soll es doch unzugänglich gemacht werden. Dann kommt er sicher von dem auf kurz oder lang todbringenden Zeug weg. Schön wäre es, wenn dem denn so wäre. Ist aber nicht so. Und mit einem spitzbübischen Grinsen auf den Lippen, biegt der Ravenclaw mit dem ungekämmt wirkenden blonden Haar um die Ecke in den Korridor, wo der Unterrichtsraum für Verteidigung liegt.
--> Verteidigung gegen die dunklen Künste
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