Freitag, 17. November, 8 Uhr.

_________________
Homo doctus in se semper divitias habet.
(Ein gebildeter Mensch hat immer Reichtum in sich.)

Erster Post, vorm Muggelkunde Klassenzimmer

Wer hat eigentlich die Schule erfunden? Der Mensch gehört erschlagen, aber richtig erschlagen. Am besten mit einem Riesenknüppel. Oder mit einer Marmorsäule von irgendeinem Tempel, das knallt dann wenigstens so richtig. Gut, er gehört nicht für die Schule erschlagen. Eigentlich gehört auch eher der jenige erschlagen, der auf die dumme Idee gekommen ist, den Unterricht morgens um acht Uhr beginnen zu lassen. Um ACHT! Muss man sich mal vorstellen. Normale Menschen schlafen da doch noch. Aber nööö, die Sadisten, die auf diese Idee gekommen sind, haben besseres zu tun. Ergötzen sich wohl am Anblick schlafender Schüler oder so... und lachen sich eins ins Fäustchen, wenn sie mit ihrer unsterblichen Seele, Geisterbewusstsein oder was auch immer zu den armen Geschöpfen herniederblicken, die da Tag um Tag sitzen, sich zwanghaft auf den unbequemen Stühlen und Schulbänken halten und krampfhaft die Augen offen halten müssen, damit sie nicht vom Lehrer gerügt werden. Bah...
Und auf genau so einen Tag bereitet der Grieche sich nun vor. Der sitzt nämlich an die Wand gegenüber des Muggelkundeklassenzimmers gelehnt am Boden, die Beine untergeschlagen und wartet. Genau genommen tappt er zu einer stummen Melodie immer wieder im Takt auf die Knie und treibt wohl so diverse Schüler in den Wahnsinn, die auch warten, dass Professor Haughton auftaucht und das Klassenzimmer für sie öffnet.
Alexios blinzelt sich die Müdigkeit mehr schlecht als recht aus den Augen und schaut sich um. Hier lungert einer, da lungert einer... das hat was von Warten auf den Einlass vor nem Konzert oder so. Natürlich noch sehr sehr früh vorm Einlass, denn so viele ... Fans... sind noch nicht da. Eine Hand voll vielleicht hat sich hier versammelt und wartet mit ihm. Jene, die nicht zu spät kommen wollen oder jene, die keine Lust hatten noch länger beim Frühstück zu sitzen. Der Siebtklässler ist einer derjenigen, die keine Lust mehr hatten, länger in der großen Halle bei all den schnatternden Schülern zu sitzen. Irgendwie fühlt er sich heute in einer Stimmung, die nicht ganz so viele Menschen um ihn herum zulässt. Jedenfalls keine Scharen von Mitschülern die er sonst gern mal bei sich hat und auch gern unterhält. Nee, heute kann man ihn irgendwie getrost in der Pfeife rauchen oder so. Im Moment jedenfalls, vielleicht würde sich die Laune im Laufe des Tages noch ändern, vielleicht schafft es Professor Haughton mit ihren Anschauungsobjekten oder Themen, ihn ein wenig aufzulockern aber sonst sieht er für heute relativ schwarz. Wieder ein Gähnen... wie spät ist es eigentlich? Irgendwie kurz vor Acht oder so. Definitiv zu früh für Alexios, aber er sitzt trotzdem pünktlich hier. Er sieht nicht ein, dass er schwänzt, das gibt nur Ärger, schlechte Noten, weil er den Stoff versäumt und vor allem auch Punktabzüge. Und Gryffindor kann ruhig noch ein paar Punkte mehr haben, so ist es ja nicht. Sie sind zwar weitab vom letzten Platz dank diverser Streithähne aus Slytherin, wie es die Runde gemacht hat, aber auch noch genauso weitab vom zweiten Platz. Vom ersten mal ganz zu schweigen, da dominieren die neunmalklugen Krähen. Raben... es sind ja Raben. Wobei das Wappen ja eher einen Adler ziert und keinen Raben. Warum eigentlich? Und warum macht er sich über solche Dinge eigentlich schon wieder Gedanken? Seufzend schüttelt er den Kopf, zieht die Kappe, die heute seinen Kopf ziert, tiefer ins Gesicht und wartet weiter, dass endlich der Einlass kommt. Juhu! Er hat Sitzplatzkarten, jaha. Erste Reihe um genau zu seinen, besten Blick auf die Künstlerin dort vorn am Lehrerpult. Hrgs... ja, freiwillig. Nein, er ist kein Streber, der sich einschleimen will, er will einfach nur nicht einschlafen und in der ersten Reihe kann man gar nicht schlafen. Schon allein weil Professor Haughton das sicherlich gut zu verhindern weiß. Wieder ein Blick auf die Uhr... so langsam ists aber doch an der Zeit, oder? Nein, seine Uhr geht vor, herrlich. Aber zum Glück nicht ganze Stunden, sonst wären die Leute hier ja arg früh dran.
Allzu lang müssen sie dann glücklicherweise nicht mehr warten, denn die Professorin kommt schließlich - oder endlich? - den Gang entlang geeilt und öffnet die Türe zu ihrem Klassenraum. Mit einem leisen Seufzen stellt der Grieche sein Getrommel ein und erhebt sich aus seiner sitzenden Position, um mit den anderen Wartenden den Klassenraum zu entern.

(Muggelkunde, 17. November)

_________________

(Gemeinschaftsraum Gryffindor)

Lange sitzt die Halbchinesin so allerdings nicht im Gemeinschaftsraum, denn ein Geräusch lässt sie wieder aus ihren Gedanken auffahren. Irgendetwas ist lärmend zu Boden gestürzt und nach genauerem forschen nach der Geräuschursache ist auch schnell klar was es ist. Sie kullern sogar noch, die Figuren, verteilen sich auf dem Teppich des Raumes. Und inmitten des veranstalteten Chaos sitzt, mit unschuldigem Blick, ein schwarzer Kater, der unverkennbar Merlin ist. Welches Tier könnte denn auch sonst so ungeschickt sein, beim Sprung auf den Tisch das gesamte Schachbrett abzuräumen? Mai schmunzelt. Merlin ist wirklich trollig. Ohne groß nachzudenken holt sie ihren Zauberstab heraus und lässt sämtliche Figuren auf das Schachbrett und dieses zurück auf den Tisch schweben. Danach erhebt sie sich selbst, packt ihr Buch in ihre braune Umhänge Tasche. Sie wird nicht länger auf ihre Freunde warten, zu stark versucht ihr hungerndern Magen sich bemerkbar zu machen, was sie während ihrem ganzen nachdenken gar nicht bemerkt hat.

Nach einem lustigen Frühstück, dass sie in Gegenwart der Freunde ihrer Schwester eingenommen hat, Sue liegt wie erwartet noch im Bett, macht sich die Gryffindor auf den Weg zum Wahrsageklassenzimmer.
Lächelnd stellt Mai fest, dass sie tatsächlich die Erste ist. Nicht, dass sie ansonsten die letzte ist, Sam ist viel zu zuverlässig, als dass einer von ihnen wirklich je verschlafen hätte, aber als die ersten steht das Chaosquartett trotzdem nicht vor dem Klassenzimmer. Die strebsamen Ravenclaws sind es dafür um so öfter.
Einen Moment steht Mai unentschlossen vor der Klassenzimmertür. Betrachtet ihr Spiegelbild im Fenster, zupft hier kurz an ihrem gekürzten Rock herum, richtet da ein wenig den Ausschnitt ihrer weißen Bluse und beschließt schließlich doch schon in das Wahrsagezimmer hinein zu gehen. Hier außen ist es ihr nun doch zu ruhig und Professor Fisterfield ist sicher schon in diesem, immerhin ist es bereits halb acht. Den zwei Portraits zu lächelnd öffnet sie die Eichenholztür und streckt ihren Kopf mit den zwei geflochtenen Zöpfen herein. Tatsächlich, Hannah Fisterfield ist bereits anwesend, auch wenn sie gerade dabei ist wieder in ihrem Büro zu verschwinden, zumindest danach zu schließen, dass sie die schmale Treppe nach oben läuft.
„Guten Morgen Professor.“ Mai tritt ganz herein.
„Oh, Guten Morgen Miss Jay. So früh schon hier?“ Die Lehrerin lächelt Mai-Lin freundlich an und hält auf der Treppe inne. „Das kommt mir im Grunde sehr gelegen, sie könnten mir helfen.“ Die Antwort der Gryffindor darauf ist ein bereitwilliges Nicken und die Tatsache, dass sie ihre Tasche neben einem der runden Tische nieder lässt, dort wo sie immer mit Vany sitzt. Offenbar machen sie heute etwas wozu man eine Abstellfläche braucht, sonst wären die runden hölzernen Tischchen nicht erschienen.
„Könnten sie bitte die Kristallkugeln aus dem Schrank“ mit einem Schwung des Stabes öffnet Professor Fisterfield den schmalen Schrank, „auf den Tischen verteilen? Pro Tisch eine, bitte. Ich muss noch kurz etwas aus meinem Büro holen.“ Und schon ist die Lehrerin verschwunden.
Aha. Kristallkugeln sind heute dran. Lächelnd tritt Mai an den Schrank heran und begutachtet die fünf runden Kugeln auf ihren Sockeln. Wabernder Nebel macht sich in ihnen breit, mal dichter, mal lichter. Abermals an diesem Tag holt die Halbchinesin ihren Zauberstab hervor, lässt ihn durch die Luft gleiten und dirigiert jede einzelnen Kugel an einen Tisch. Und kaum ist das erledigt befindet sich auch Mai-Lin wieder an ihrem Platz, die Ellenbogen auf die Knie gestützt, das Gesicht mit den Händen haltend, starrt sie in eine Kugel eine Stufenreihe weiter unten. Der Nebel nimmt kurz Formen an und geht dann wieder in formlosen Zustand zurück, ohne dass es Mai auffällt, denn die ist schon wieder in Gedanken. Die Stille ist dran schuld, und das gelbliche Kerzenlicht. Ein stilles Seufzen. Wo er wohl bleibt?

(Wahrsagen)

_________________